Aus einer Theaterfamilie stammend, begann mein eigener Weg als Bildhauerin in den frühen 90er Jahren.
Einige Monate als Praktikantin in einem Steinbildhauerbetrieb bei München, gefolgt von einem 9-jährigen Arbeits- und Studienaufenthalt in Italien – mehrere Jahre Ausbildung im klassischen Marmorbildhauer Studio Ricci- Pietrasanta, danach freies Bildhaueratelier Leonardi in Querceta (jetzt Studio Pescarella).
Anschließend Accademia di Belle Arti di Carrara, diplomierter Abschluss in Bildhauerei 2001.
Zahlreiche internationale Arbeits- und Studienreisen trugen außerdem bereichernd zu meiner Ausbildung bei. Seit 1999 lebe und arbeite ich als freie Bildhauerin und Dozentin in der Nähe von München, meine Skulpturen sind international auf Ausstellungen zu sehen.
Man kann meine Arbeitstechnik als klassisch bezeichnen – während meiner Ausbildung wurde ich stark von der Kunst antiker und zeitgenössischer Bildhauer sowie klassischer Bildhauertechniken geprägt.
Jedes Stück meiner Arbeit ist handgemacht, charakterisiert durch die kleinen, kaum sichtbaren Unregelmäßigkeiten und Asymmetrien, die einer glatten Oberfläche oder einer scharfen Linie Leben einhauchen.
Meine Skulpturen bestehen hauptsächlich aus Bronze. Auf dem Weg zum Endresultat in Bronze, Marmor oder auch Glas verwende ich verschiedene Materialien wie Ton, Gips oder Wachs zum Modellieren.
Die Formensprache meiner Skulpturen ist das Resultat einer intensiven Beobachtung, vor allem der Natur – eine bedeutende Inspiration seit meiner Kindheit bietet das Meer und dessen Seele. Alles durchläuft eine Spannung, Innehalten und Auflösung, jederzeit, sei es sichtbar in Bewegung oder unsichtbar in Unbeweglichkeit. Harmonie entsteht durch die Suche nach einem Ausweg aus der Spannung – meine Skulpturen zeigen einen Moment in diesem ewigen, unentwegten Prozess.
BINDUNG ENTFESSELTER KRÄFTE
ZUR BILDHAUERISCHEN ARBEIT VON KATHARINA FREITAG
(Autorin: Lena Rupprecht, mundus Heft 2/2009)
„Aus aller Befriedigung entsteht Ekel, weil eben in der Spannung der Kräfte allein die Wollust liegt“, schreibt der Dramatiker Christian Friedrich Hebbel im 19. Jahrhundert. Wenige Sätze geben auf die Frage, was denn die Kriterien für gute Kunst seien, eine derart präzise Antwort. Spannungslose Befriedigung langweilt sehr bald.
Künstler jedoch, die es verstehen, in ihrem Werk zwei Gegensätze in wechselseitiger Spannung zu halten, schaffen etwas zeitlos Gültiges: ein Abbild von der Polarität menschlicher Existenz. Der Mensch sollte leben, als besäße er ewiges Leben, und gleichzeitig sich so verhalten, als müsse er morgen sterben.
Dann entsteht Großes.
Mit einem Kunstwerk verhält es sich ebenso. Gelingt es dem Künstler, in seinem Werk explosive Kräfte sichtbar zu machen und sie gleichzeitig durch eine strenge Form zu binden, die jedoch immer von einer inneren Sprengkraft bedroht zu sein scheint, dann schafft er nicht nur Kunst, sondern große Kunst. Wer Kräfte
unterdrückt, vernichtet die Spannung ebenso wie derjenige, der ihnen entfesselt ihren Lauf lässt.
Das Binden der Kräfte hingegen erzeugt jene faszinierende Spannung in der Ausstrahlung eines künstlerischen Werkes, die einem Bild oder einer Skulptur über Jahrhunderte hinweg eine unwiderstehliche Ausstrahlung gibt. Die Münchner Bildhauerin Katharina Freitag beherrscht diese seltene Kunst: eine
Hexenmeisterin – ganz im Sinne Goethes – , die die Geister, die sie ruft, zu beherrschen versteht. Das ist sichtbar. In jeder Skulptur.
Aus der Schmiede des Hephaistos
Die bildhauerische Arbeit von Katharina Freitag besitzt Geschichte. Sie hat ihre Wurzeln in einer Künstlerfamilie. Die Eltern betrieben ein Theater, der Großvater war Opernsänger. Katharina Freitag versuchte sich zunächst mit einer bürgerlichen Existenz und studierte Handelswirtschaft, danach französische, deutsche, englische und spanische Literatur, fand jedoch keine wirkliche Befriedigung in diesen Fächern. Als sie 1989 den Film Camille Claudel mit Isabelle Adjani im Kino erlebte, wurde ihr bewusst: ihre Berufung liegt in der Bildhauerei. Es folgten ein Praktikum beim Steinbildhauer Helmut Schlegel in Oberhaching bei München, Fortbildungen bei der Bildhauerin Annette Rowdon und der Malerin Elisabeth Lyons in London sowie eine mehrjährige Ausbildung beim italienischen Bildhauer Alessandro Ricci in Pietrasanta.
Ihre systematische Ausbildung erhielt Katharina Freitag in einem vierjährigen Studium der Bildhauerei an der Accademia di Belle Arti di Carrrara und einem einjährigen Aktstudium an der Académie des Beaux-Arts in Genf. Von 1991 bis zur Übersiedlung nach München in 1999 lebte und arbeitete sie in Italien und eignete sich in den Werkstätten der Toscana ein bildhauerisches Wissen an, wie es seit der Renaissance von den Meistern an die Schüler weitergegeben wird.
Man stelle sich vor: ein Sommertag in der Toscana, es wird gegossen, der alte Kunstgießer lässt die flüssige Bronze in eine vorbereitete Form fließen, anschließend wird gefeiert mit Wein, Brot und Oliven. Das sind Momente voll archaischer Kraft. Sie prägen einen Künstler für ein ganzes Leben. Alessandro Ricci, der Steinbildhauer, brachte ihr das Gefühl für den Marmor bei: „ Du musst ihn behandeln wie deinen Geliebten. Wenn Du heute grob zu ihm bist, zahlt er es dir morgen heim.“ Von Ricci lernte sie, die weiche und die harte Seite eines Marmorblocks zu unterscheiden, ihn als etwas Gewachsenes und Lebendiges
wahrzunehmen. Sie lernte auch, die verschiedenen Klänge des Steines – je nachdem, an welcher Stelle man auf ihn klopft – zu hören und zu deuten. So bekam sie ein instinktives Gefühl für Marmor, Travertin, Alabaster und Sandstein, für ihre Beschaffenheit und die ihnen innewohnenden Möglichkeiten.
Katharina Freitag arbeitet in Stein und Bronze. An der Bronze fasziniert sie das Archaische des Materials.
Seit mehr als 5000 Jahren arbeiten Menschen mit diesem Metall. Der Name leitet sich ab von Brundisium, dem lateinischen Namen der süditalienischen
Stadt Brindisi, in der Antike eine Hochburg der Bronzeverarbeitung und des Bronzehandels. Das Material von Glocken und Kanonen übt nicht umsonst bis heute eine große Faszination auf Künstler und Betrachter aus. Heiße Bronze zu gießen ist ein schöpferischer Prozess, ein Arbeiten wie mit flüssigem Magma. Es vermittelt dem Künstler das Gefühl, die Welt aus Erde noch einmal neu zu
erschaffen. Den Klang der Bronze hörten Menschen beim Läuten während der heiligen Messe und im Krieg, wenn die Kanonen donnerten. Auf geheimnisvolle Weise steht gerade dieses Metall in einem inneren Zusammenhang mit dem Thema Harmonie. Das verrät die Geschichte dieses Begriffes: Harmonie leitet sich vom altgriechischen Wort Harmonia ab und bedeutet Fügung oder Verbindung zweier entgegengesetzter Pole. Harmonie ist, so gesehen, eben nicht ein konflikt- und spannungsfreier Zustand, sondern ein Zustand, der durch die Bindung zweier entgegengesetzter Kräfte entsteht.
In der griechischen Mythologie ist die Göttin Harmonia Tochter von Ares und Aphrodite, dem Gott des Krieges und der Göttin der Liebe. Aphrodite war ursprünglich mit dem Schmiedegott Hephaistos vermählt, begehrte aber Ares, den Gott des Krieges, viel mehr als ihren rechtmäßigen Gemahl. Aus ihrer Verbindung mit Ares gingen fünf Kinder hervor, unter ihnen Eros und Harmonia.
Echte Harmonie ist niemals flach. Sie ist voll Spannung, denn sie entsteht aus der Vereinigung des Unvereinbaren, ist ein Kind von Liebe und Krieg.
Eine alte Geschichte – immer neu.
Dualität, Polarität und die Interaktion von Bindung und Sprengung: so lautet das Leitmotiv in allen Arbeiten von Katharina Freitag. Viele Skulpturen konzipiert sie von Anfang an zweiteilig, zum Beispiel Du und ich. Das Reizvolle an den Zweiteilern: Wenn man sie in unterschiedliche Positionen zueinander stellt, erzählten sie jedes Mal eine neue Geschichte. Ähnlich verhält es sich mit dem gegenläufigen Danza nell’universo oder mit Bianco – Nero. Manche Arbeiten nehmen eine Zwitterposition ein. So kann man zwei Spiralen mit dem oberen Ende nach außen oder mit den Enden nach innen, mit beiden nach rechts oder mit beiden nach links weisend, liegend oder stehend nebeneinander positionieren. Man kann sie aber auch einzeln stellen. Für sich allein genommen drückt die Spirale Polarität aus, indem sie die aufspringende Kraft ihres Bogens fesselt, da sie das Aufspringende mit der Härte ihres Materials verhindert.
Katharina Freitags Skulpturen sind statisch, aber sie stehen nicht still. Sie ruhen sich nicht aus. Sie erzählen eine Geschichte, die im Moment des Betrachtens bereits weitergeht. Sie kommen irgendwoher und gehen irgendwohin. Sie wirken beim Betrachter wie ein Katalysator, inspirieren ihn, stoßen eigene Entwicklungen an. In ihnen findet sich ein enormer Fluss, obwohl sie hart und fest sind. Die ihnen zugrunde liegenden Ideen entstehen im Unbewussten und sind darum pur, das heißt: rein, existenziell, urmenschlich. Sie erzählen die Geschichte vom Verbundensein in der Trennung und von der Begegnung mit sich selbst im Gegenüber. Um so bilden zu können, muss man sein Auge lange
geschult haben. Katharina Freitag hat es getan: natürlich an Michelangelo, aber auch an vielen anderen alten und neuen Meistern wie Donatello, Cellini, Ghiberti, del Verrocchio, Bernini, Claudel, Rodin, Maillol, Giacometti, Brancusi, Marini, Mitoraj oder Alexander Calder.
Wer weitere Arbeiten der Künstlerin kennen lernen will, kann sie im Schauraum der Kunstgießerei München besichtigen oder Katharina Freitag in ihrem Grünwalder Atelier besuchen. Im Sommer 2009 ist die Künstlerin mit der Plastik Attraction im Skulpturengarten Sonnenwald vertreten.
Ein Besuch lohnt sich.